Ärger um „Phantomtore“ – Hat der nachträgliche Protest der HSG FONA noch Erfolg?

Der Ärger über das 22:25 gegen den Bredstedter TSV in der Handball-Oberliga der Frauen am vergangenen Freitag war bei Trainer Olaf Keck und den Spielerinnen der HSG FONA ohnehin schon groß.

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Potenziert wurde der Frust im Nachgang aber noch um ein Vielfaches, denn bei einer Analyse des Videos stellte sich heraus, dass die Gäste nur 23 Tore geworfen hatten – und nicht wie im elektronischen Spielberichtsbogen aufgeführt 25.

Bredstedt wirft nur 23 Tore – und nicht 25

„Ein Elternteil einer Spielerin hatte uns nach dem Spiel auf Unstimmigkeiten bei der Torfolge auf der Anzeigetafel in der Halle aufmerksam gemacht. Das Video habe ich mir dann in Ruhe noch einmal angeschaut und die Bredstedter Tore abgezählt. Es waren nur 23“, berichtet Keck, der in zwei Szenen Abweichungen zwischen dem tatsächlichen Spielgeschehen und dem Protokoll festgestellt hat.

„Phantomtor“ Nummer 1: Nach einer Auszeit der Gäste in der 26. Minute hat laut Protokoll Bredstedts Kim Merle Köster nach dem Wiederanpfiff das 9:9 erzielt. Keck: „Da ist aber kein Tor gefallen. Was das Video ja auch belegt.“

„Phantomtor“ Nummer 2: Beim Stand von 13:13 hat Bredstedts Sina Köster laut Protokoll in der 38. Minute das 14:13 erzielt. Keck: „Auch das ist falsch und im Video zu sehen.“

So führten die Bredstedterinnen zu diesem Zeitpunkt mit 14:13, obwohl sie eigentlich mit 12:13 hinten lagen. Die beiden „Phantomtore“ hatten entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Partie. Nachdem die Gäste in der 56. Minute die vermeintliche 23:22-Führung erzielt hatten, änderte Keck die Taktik in der Abwehr, agierte offensiver, um Ballgewinne zu generieren. „So eine offensivere Abwehr birgt aber auch immer die Gefahr, dass der Gegner die sich bietenden Räume nutzt“, sagt Keck.

HSG FONA sucht schnelle Abschlüsse

Und den nutzten die Gäste zu zwei weiteren Treffern gegen eine entblößte HSG-Deckung. Im Angriff suchten seine Spielerinnen schnelle Abschlüsse – ohne Erfolg. „Tatsächlich lag Bredstedt zu diesem Zeitpunkt aber noch zurück. Hätten wir das gewusst, hätten wir unsere Taktik nicht geändert.“ Keck und seine Spielerinnen fühlen sich um einen durchaus möglichen Sieg betrogen. „Wahrscheinlich hätten wir gewonnen“, glaubt der Coach.

Verständnis aus Bredstedt

Das sieht „Mücke“ Carlsen, Trainer der „Bredis“, anders. Er reagierte am Dienstagabend auf die Anfrage von shz.de zu dem Vorfall völlig perplex: „Davon hat bei uns niemand etwas bemerkt. Das ist doch nicht möglich.“ Mittwochfrüh hatte er sich das Video vom Spiel dann genau angesehen und dabei entdeckt: „Tatsächlich ist das Tor von Sina zum 14:13 nicht gefallen, da hat Olaf Keck recht. Die Situation in der ersten Halbzeit war unübersichtlich, da könnte ich nicht genau sagen, was passiert ist“, schildert Carlsen seine Analyse.

Der Bredstedter Trainer äußert „volles Verständnis“ für den Ärger von Keck, aber:

In der Endabrechnung hätte Bredstedt ohnehin gewonnen, so Carlsen, dann eben mit einem Tor. Und zu möglich taktischen Maßnahmen gehörten immer zwei: „Bei anderem Spielstand hätte ich auch anderes gespielt. Wir hatten überlegt, die Spielmacherin in kurze Deckung zunehmen“, sagt Carlsen.

Niemand bemerkt den Fehler des Kampfgerichts

Die HSG FONA hat beim Verbandssportgericht Einspruch gegen die Wertung des Spiels eingelegt und strebt eine Neuansetzung an. Allerdings hätte Keck bei der Spielbesprechung direkt nach dem Abpfiff mit den Schiedsrichtern einen Protest ankündigen müssen – doch das hat er nicht.

Warum auch? Schließlich hatte niemand auf Seiten der HSG FONA die Fehler des Kampfgerichts bemerkt. „Ich sitze ja nicht auf der Bank und mache bei den Toren artig Striche. Wir sind davon ausgegangen, dass alles korrekt war“, sagt der Coach.

Alexander Ostrowski, kommissarischer Vizepräsident Recht des Handballverbandes Schleswig-Holstein (HVSH), macht der HSG FONA wenig Hoffnung auf eine Neuansetzung. „Der Protest hätte sofort erfolgen müssen. Das ist in der Spielordnung festgehalten. Ich will nicht sagen, dass der nachträgliche Einspruch aussichtslos ist, aber die Chancen tendieren doch eher gegen Null. Natürlich ist so ein Fall ärgerlich und bitter für den Verein, aber so etwas kommt nur ganz selten vor. Spieler, Trainer und Schiedsrichter machen Fehler. Und manchmal eben auch das Kampfgericht.“

Die beiden Kampfrichter wollten sich auf Nachfrage von shz.de nicht zu den Geschehnissen äußern.

Einen Vorwurf macht Keck dem Kampfgericht nicht. „Fehler passieren. Die Verbände müssen sich aber dringend Gedanken machen, ihre Rechtsordnung der allgemeinen Rechtsstaatlichkeit anzupassen und auch nicht angekündigte Einsprüche behandeln. Und wenn durch Beauftragte des Verbandes Fehler gemacht werden, hat der Verband diese von sich aus zu korrigieren.“

Der Coach hat jedenfalls seine Lehren aus dem Vorfall gezogen. „Ich habe eine Liste mit 16 möglichen Gründen für einen Einspruch zusammen gestellt. Vielleicht werde ich pro forma jetzt immer einen Einspruch ankündigen. Das kostet ja nichts.“ Den Ärger über die beiden verlorenen Punkte gegen Bredstedt mildert das allerdings nicht.