Krisenstimmung beim THW Kiel

Die Kiste mit den Ausreden machte kein Kieler nach der Abfuhr beim Aufsteiger auf. „Für dieses Spiel gibt es keine Entschuldigung“, stellte Kapitän Domagoj Duvnjak unmissverständlich fest, auch Geschäftsführer Viktor Szilagyi formulierte es deutlich: „Solch ein Auftritt ist unentschuldbar.“ Zuvor hatte sich der THW Kiel in der Handball-Bundesliga bis auf die Knochen blamiert und beim Aufsteiger TuS N-Lübbecke eine 25:29 (9:13)-Pleite einstecken müssen.

Raus aus dem Meisterrennen?

Die Meisterschale rückt damit in immer weitere Ferne, der Zug zum Titel scheint die „Zebras“ auf dem Abstellgleis stehen zu lassen. Für die Kieler war es nach blitzsauberem 10:0-Punkte-Start nun bereits die vierte Liga-Partie in Serie ohne Sieg – das war ihnen zuletzt im April 2003 passiert. Zudem war es nach 27 Siegen in Serie die erste Niederlage gegen den TuS seit September 2002. Für die auch noch ersatzgeschwächt ins Spiel gegangenen Ostwestfalen war der quasi historische Triumph erst der dritte Saisonerfolg.

Alle Mann an Bord

Trotz des erst am Vortag des Spiels verkündeten Abgangs von Superstar Sander Sagosen, der seinen 2023 auslaufenden Vertrag nicht verlängern wird (wir berichteten), standen die Zeichen für einen erwarteten Sieg der „Zebras“ in Lübbecke nicht schlecht. Erstmals nach fünf Spielen konnte THW-Trainer Filip Jicha nämlich wieder auf seinen kompletten Kader zurückgreifen, auch wenn nicht alle Akteure im Vollbesitz ihrer Kräfte waren. So kehrten Sagosen und Steffen Weinhold nach überstandener Corona-Erkrankung zurück ins Aufgebot. Auch Patrick Wiencek, der zuletzt aus familiären Gründen gefehlt hatte, war dabei.

Kieler Kampfgeist fehlt

Die Kieler Spitzenhandballer brachten an diesem Tag ihr Können jedoch einfach nicht aufs Parkett. Weder spielerisch, noch kämpferisch waren sie auf Augenhöhe mit den bissigen Ostwestfalen. „Kernig zu sein ist manchmal wichtiger als Qualität“, betonte Szilagyi, hatte aber erkannt: „Uns haben heute die Grundlagen gefehlt.“

Frühe Führung – und nichts dahinter

Beim Stand von 3:2 (6.) nach Niclas Ekbergs Siebenmeter lag der THW letztmals vorn, danach versiegte der Kieler Spielfluss. Ein ums andere Mal bissen sich die „Zebras“ an der Abwehr der Gastgeber die Zähne aus, zudem parierte sich TuS-Torwart Aljosa Rezar in einen Rausch. Auf 12:6 (26.) setzte sich das Team von Trainer Emir Kurtagic zwischenzeitlich ab, zur Pause sah das Resultat aus THW-Sicht nur bedingt besser aus (13:9).

THW läuft hinterher

Ein echtes Aufbäumen war auch nach dem Seitenwechsel nicht zu erkennen, obwohl vom Ergebnis her immer noch etwas möglich war. Von 13:19 (39.) pirschten sich die Gäste wieder auf 16:19 (42.), leisteten sich dann aber immer wieder technische Fehler und Fehlwürfe, verloren den Faden und den Anschluss (16:22/ 46.). Zudem bekamen sie Tom Skroblien und Lutz Heiny nicht in den Griff – dieses Duo war es auch, das in der finalen Phase der Partie, als Kiel sogar bis auf zwei Tore dran war (27:25/59.), die Nerven behielt, den Sensationssieg perfekt machte und die Kieler konsterniert zurückließ.

Szilagyi spricht von Blamage

„Ohne die Leistung von Lübbecke schmälern zu wollen, ist das für uns eine Blamage“, meinte Szilagyi. „Es gibt immer mehr als einen Grund für solch einen Auftritt. Es gab in letzter Zeit sehr viel Unruhe bei uns. Das waren zum Teil private Gründe, Quarantäne und eine hohe Spielbelastung“, suchte der Österreicher kurz nach Erklärungen, schwenkte dann jedoch schnell um und betonte: „Aber das lassen wir nicht gelten.“