Benjamin Buric über den Balkan-Krieg: „Diese Bilder werde ich nie vergessen“

Das Lächeln, das ihn ausmacht, ist zunächst nicht zu sehen, als Benjamin Buric am Strand von Wassersleben erscheint. „Ich trage natürlich Maske“, sagt der aus Bosnien-Herzegowina stammende Handball-Torhüter der SG Flensburg-Handewitt. Doch draußen und mit Abstand – da ist der Mund-Nasen-Schutz mit SG-Logo dann zum Glück schnell vom Kopf und das wunderbar offenherzige Lächeln wieder da. Selbst jetzt in schweren Zeiten.

 

In Sorge um die Eltern

Der Handball-Fan denkt spontan daran, dass die SG-Spieler vor leeren Rängen spielen müssen und der Spielplan wie vergangene Woche jederzeit durcheinander gewirbelt werden kann. „Damit kann ich leben. Ich mache mir aber große Sorgen um meine Eltern, auch um meine restliche Familie in der Heimat“, sagt der 102-Kilo-Mann beim Blick aufs Meer und über den leeren, von bunten Laubbäumen gesäumten Strand.

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Dafür gibt es Gründe, denn: „In meiner Heimat gibt es viele Infizierte. So viele halten sich nicht an die Regeln, es fehlt da die deutsche Disziplin, deshalb wird die Zahl der Erkrankten wohl noch deutlich steigen“, befürchtet der Profi, der in Doboi in der Nähe von Sarajewo aufgewachsen ist.

Dass es der Familie gut geht, ist für Benjamin Buric das Wichtigste. „Ich telefoniere jeden Tag mit meinen Eltern – das ist glaube ich nicht ganz normal.“ Die Gedanken des Profis wandern nach Hause – es ist ein anderes Lächeln als nach einer Parade in der Flens-Arena, das dabei über sein Gesicht zieht.

 

Mann der Emotionen

Der Keeper hofft, am Mittwoch gegen Brest (18.45 Uhr) wieder in die heimische Halle zurückkehren zu können. „Handball ist mein Leben. Es ist überragend, wie viel Unterstützung es für die SG in diesen schweren Zeiten von so vielen Seiten und Menschen gibt“, betont Benjamin Buric, der mit seinem Zwillingsbruder erst mit 13 angefangen hat, Handball zu spielen. Der Bosnier hofft, dass bald wieder Zuschauer dabei sein können:

 

Hat das Leben des Torwarts, der am Freitag seinen 30. Geburtstag feiert, schon einmal etwas stärker beeinträchtigt als Corona? Der Strahlemann wird stiller und sagt schließlich: „Dieser Krieg, der so viel zerstört hat, dessen Folgen in meiner Heimat bis in die Gegenwart reichen.“

Gemeint ist der Balkan-Krieg, der in allen Orten Freunde, Nachbarn und Familienmitglieder plötzlich zu Feinden gemacht hat, die gegeneinander gekämpft und sich gegenseitig getötet haben, nur weil sie Bosnier, Serben oder Kroaten sind. „Mein Vater ist durch den Krieg zu einem 50-prozentigen Invaliden geworden, meine Mutter hat sich mit ihren drei Kindern im Keller versteckt. Wir haben in nur zwei Monaten alles verloren – lebten danach mit zehn Leuten in einer kleinen Wohnung“, erinnert sich Benjamin Buric, der am Ende des Krieges im Jahr 1996 sechs Jahre alt war.

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Mutter als Heldin

Geprägt durch diese Zeit ist seine Mutter für ihn ein Idol, eine Heldin geworden. „Auch nach Kriegsende folgten schwere Jahre, es war ein Chaos. Ich habe da noch viele Bilder im Kopf, die ich nie vergessen werde.“ Die Sehnsucht nach der Heimat ist schon deshalb groß, „weil ich bereits mit 17 wegen des Handballs weggegangen bin und als Profi nur wenig Zeit für Heimatbesuche habe“.

Das war in diesem Sommer wegen Corona anders. „Ich war mehrere Monate zuhause, das war großartig, auch wenn der Grund ein trauriger war“, sagt der Moslem. Er habe dabei noch intensiver erfahren, „was für ein unglaublich schönes Land Bosnien ist. Umso mehr ärgere ich mich darüber, dass die Politiker dort das Land und die Menschen immer noch spalten, statt die Basis für eine gute, gemeinsame Zukunft zu schaffen“, sagt Benjamin Buric sichtlich verärgert. Doch das Lächeln kommt schnell wieder – er kann einfach nicht anders.