Christian Berge: „Die Welt ist derzeit ein komischer Ort“

Von der Förde in die Wüste: Die norwegische Handball-Nationalmannschaft bereitet sich momentan in Flensburg auf die am 13. Januar beginnende WM in Ägypten vor. In diesem Rahmen standen auch zwei Spiele gegen den großen Rivalen Dänemark auf dem Programm. Der 28:31-Niederlage am Donnerstag folgte am Sonnabend ein 36:34-Sieg gegen den Weltmeister von 2019. Vor der Abreise am Montag aus Flensburg in Richtung Kopenhagen, von wo es dann am Dienstag mit dem Flieger nach Ägypten geht, sprach unser Mitarbeiter Holger Petersen mit Norwegens Cheftrainer Christian Berge (47), der von 1999 bis 2006 das Trikot der SG Flensburg-Handewitt trug.

Wie geht es euch in Flensburg?

Sehr gut. Die Bedingungen sind super. Trainingshalle, Hotel, Essen – alles perfekt.

Warum eigentlich Flensburg?

Wir haben große Probleme mit den Corona-Einschränkungen in Norwegen. Wäre dort ein Spieler positiv getestet worden, hätten wir die WM-Teilnahme absagen müssen. Nachdem wir mit den Dänen zwei Testspiele abgemacht hatten, haben wir uns umgeschaut, wo wir unser Quartier aufschlagen können. Da machte Flensburg am meisten Sinn. Wir waren ja auch schon im November hier und hatten damals schon eine echt gute Zeit.

Erst eine Niederlage, dann ein Sieg gegen Dänemark – wie zufrieden sind Sie mit dem Leistungsstand Ihrer Mannschaft?

Das zweite Spiel war von uns besser als das erste – auch weil die Dänen dort gut gespielt haben. In der ersten Partie haben wir zu individuell gespielt, in der zweiten haben wir als Kollektiv überzeugt. Wir leisten uns zwar immer noch zehn schwächere Minuten, aber insgesamt sind wir auf dem richtigen Weg.

Ich zähle Norwegen zu den heißen Medaillenkandidaten. Können Sie dem zustimmen?

Na ja, wir standen bei den jüngsten beiden Weltmeisterschaften jeweils im Finale und haben bei der EM 2020 Bronze geholt. Da ist diese Prognose nicht allzu gewagt. Klar ist: Wir sind eine starke Mannschaft. Aber davon gibt es bei der WM viele. Uns steht richtig harte Arbeit bevor, um eine Medaille zu ergattern.

Wen haben Sie sonst noch auf dem Zettel, wenn es um die Halbfinalplätze geht?

Dänemark, Frankreich, Spanien, Kroatien. Aber auch Schweden, Deutschland, Portugal und Ägypten sind gefährlich.

Ihr dänischer Kollege Nikolaj Jacobsen rechnet jedoch nicht mit einer Medaille für Deutschland…

Deutschland wird das Viertelfinale erreichen – und vielleicht noch mehr.

Was überwiegt bei Ihnen: die Vorfreude auf die WM oder die Angst vor Corona?

Ich versuche, nicht an das zu denken, was alles passieren könnte. Ich habe Vertrauen in die Organisatoren. Ich denke nur an die sportlichen Aspekte. Ich weiß nicht, was uns vor Ort genau erwartet und versuche, den Fokus auf das Team und unsere Ziele zu bewahren.

Der Flensburger Magnus Röd verzichtet aus freien Stücken auf die WM…

Und dafür habe ich Verständnis. Ich habe oft mit ihm darüber gesprochen und dabei nie versucht, ihn zu überreden, doch zu kommen. Nun muss halt der Nächste auf der Liste seinen Job übernehmen. Wir haben viele gute Spieler auf der rechten Rückraumposition. Ich kann Magnus gut verstehen, dass er seinen Körper wieder in Form bringen will.

Und wie steht es um Göran Sögard, der ebenfalls am Jahresende stark angeschlagen war?

Er absolviert jeden Tag individuelles Training. Er hat gegen Dänemark 15 Minuten gespielt, um zu sehen, wie es geht. Am nächsten Tag hat Göran sich gut gefühlt. Unser Ziel ist, dass er gegen Frankreich spielen kann. Das ist unser wichtigstes Spiel. Und ich bin mir sicher, dass er dann dabei ist.

Wie machen sich derzeit die frischgebackenen Champions-League-Sieger aus Kiel, Sander Sagosen und Harald Reinkind?

Ganz prima, wie sie im zweiten Spiel gegen die Dänen bewiesen haben (Anm. d. R.: Sagosen traf zehn Mal, Reinkind sieben Mal). Sie haben ein ganz großes Ziel in ihrer Karriere erreicht und sind dementsprechend gut gelaunt. Ihr Selbstvertrauen ist riesig, das ist gut für uns.

Besonders im deutschen und schwedischen Team hat es viele WM-Absagen aus Coronagründen gegeben. Bei Ihrer Auswahl nicht eine. Warum?

Die norwegischen Spieler lieben es, zusammen zu sein. Wir haben viel Spaß. Es ist uns wichtig, dass wir gemeinsam lachen und eine gute Zeit haben.

Nach der WM in Ägypten steht im Juli noch ein absolutes Highlight auf dem Plan: die Olympischen Spiele in Tokio. Rechnen Sie damit, dass sie stattfinden?

Ich hoffe es sehr, aber bin mir natürlich nicht zu hundert Prozent sicher. Denn: Die Welt ist derzeit ein komischer Ort.