Deutsche Handballer nehmen Olympia-Gold ins Visier

Kaum war die WM-Mission der deutschen Handballer gescheitert, rief Bob Hanning in gewohnt schrillem Outfit das nächste große Ziel aus.

„Ich bin überzeugt davon, dass wir um olympisches Gold spielen werden“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes unbeeindruckt vom frühen Aus bei der Weltmeisterschaft in Ägypten. „Ich wüsste nicht, warum wir dieses Ziel korrigieren sollten.“

Auch Sportvorstand Axel Kromer glaubt trotz des verpassten Einzugs ins WM-Viertelfinale an die Möglichkeit eines großen Comebacks bei den Olympischen Spielen: „Wir wissen, dass wir jedes Team der Welt schlagen können, wenn wir in Vollbesetzung und in Topform sind“, sagte er am Sonntag. „Demzufolge halten wir an dem Ziel fest und freuen uns immens, wenn das Ziel erreicht wird.“

Nicht ganz so schnell in den Angriffsmodus umschalten wollte Alfred Gislason, der in seinen Gefühlen hin- und hergerissen war. In der prunkvollen Lobby des noblen Teamhotels in Kairo sah man den Bundestrainer am Sonntag zwar auch lächeln, doch die meiste Zeit schaute er ziemlich ernst. „Ich ärgere mich noch heute schwarz, dass wir das Spanien-Spiel nicht gewonnen und kein Unentschieden gegen Ungarn geschafft haben“, sagte der Isländer. „Es ist ein zwiegespaltenes Gefühl. Das ärgert mich jede Stunde.“

Der erfolgsverwöhnte Ex-Coach des Rekordmeisters THW Kiel haderte mit dem frühen Turnier-Aus, das von einer Debatte um ein TV-Interview von Kapitän Uwe Gensheimer begleitet wurde. Der 34 Jahre alte Linksaußen von den Rhein-Neckar Löwen hatte am Samstagabend nach dem 31:24 gegen Brasilien im ZDF zur Kritik an ihm gesagt: „Ich weiß nicht, ob das der Vereinszugehörigkeit geschuldet ist. Missgunst und Neid sind manchmal schon ein bisschen da, habe ich das Gefühl.“

Das führte zu Irritationen, die Gensheimer in einer DHB-Mitteilung ausräumte. Die Aussage habe nicht seinen Teamkollegen, sondern ausschließlich externen Kritikern gegolten. „Ich habe mich nie negativ über Spieler und Trainer geäußert und werde dies auch nicht tun. Wer mir Böses unterstellt, irrt“, betonte er vor dem letzten Hauptrundenspiel gegen Polen am Montag (20.30 Uhr/ARD).

Der Sieg gegen Brasilien war letztlich bedeutungslos, weil Ungarn und Spanien schon vor dem Anpfiff die zwei Tickets für das Viertelfinale gebucht und damit die ohnehin nur leisen Hoffnungen der DHB-Auswahl auf ein Handball-Wunder zunichte gemacht hatten. Dennoch zeigte die deutsche Mannschaft eine konzentrierte Leistung. „Wir haben ja auch den Adler auf der Brust, deshalb wollten wir mit einem Sieg hier rausgehen“, sagte Gensheimer.

Gislason richtete den Blick am Tag danach bereits nach vorn. Mitte März geht es für die DHB-Auswahl in Berlin gegen Schweden, Slowenien und Algerien um die Fahrkarte zu den Sommerspielen in Tokio. „Das Qualifikationsturnier wird nicht einfach. Aber ich bin optimistisch, dass uns das, was wir hier gemacht haben, dann helfen kann“, sagte der Bundestrainer.

Denn bei aller Kritik am frühen WM-Aus: Es gab auch einige Lichtblicke im neuformierten DHB-Team. „Für Spieler wie Johannes Golla, Philipp Weber oder Timo Kastening war das Turnier extrem wichtig, um in höheren Hierarchieebenen besser zu funktionieren“, befand Hanning. Gislason sah ebenfalls viele gute Ansätze. „Was die Jungs geschafft haben in dieser kurzen Zeit, ist schon sehr beachtlich. Da gibt es Taktiken, für die ich Monate gebraucht habe in Kiel, die jetzt bei der Mannschaft schon ziemlich flüssig laufen“, stellte er zufrieden fest. „Wir haben jetzt ein gewisses Grundgerüst erstellt, das uns auch im März helfen wird.“

Der Bundestrainer steht nun vor der Aufgabe, aus dem WM-Kader und den zuhause gebliebenen Leistungsträgern eine schlagkräftige Truppe zu formen. „Wenn wir dann alle an Bord haben, dann haben wir eine Mannschaft, die richtig gut sein kann“, sagte er.

Dabei plant Gislason fest mit einer Rückkehr des Kieler Trios Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Steffen Weinhold, das wegen der Corona-Krise freiwillig auf die WM verzichtet hatte und dafür von Torwart Andreas Wolff scharf kritisiert worden war. „Ich werde natürlich mit den Kieler Jungs reden, ob sie noch irgendwelche Vorbehalte haben, oder ob sie – genauso wie ich – Andreas Wolff gut genug kennen, dass solche Aussagen eben auch fallen“, kündigte Sportvorstand Kromer an.

Wolff, der gegen Brasilien nur auf der Tribüne saß, gehörte wie Gensheimer zu den großen WM-Verlierern im deutschen Team. Er wird am Montag gegen Polen aber wieder dabei sein, wenn die DHB-Auswahl einen versöhnlichen WM-Abschluss anstrebt. Gislason nahm seine Schützlinge in die Siegpflicht: „Ganz ehrlich, das wäre mir sehr wichtig.“