Göran Sögard und die große Geduldsprobe

Reha! Das Wort kann Göran Sögard nicht mehr hören. Reha hier, Reha da – diese Umschreibung von Heilungsmaßnahmen bestimmt jedoch derzeit das Leben des verletzten Profihandballers der SG Flensburg-Handewitt. „Ich trainiere mehr als zu normalen Zeiten“, sagt der torgefährliche Rückraumspieler, „und ich habe Megabock auf Handball.“ Daran ist aktuell aber nicht zu denken.

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Der Grund ist 1,8 Zentimeter lang, liegt im Adduktorenbereich und ist äußerst schmerzhaft: eine eingerissene Sehne. Ab zwei Zentimeter wird zu einer Operation geraten, darunter bevorzugt man einen konventionellen Heilungsprozess per Reha.

Keine Langeweile

Aus diesem Grund schuftet der 27-jährige Norweger zweimal täglich von Montag bis Freitag und auch samstagvormittags für sein Comeback – zumeist mit seinem an einem Knorpelschaden im Knie laborierenden Leidensgenossen Lasse Möller. „Langeweile? Habe ich nicht! Ausdauer, Kraft, Physio – ich kann viel machen. Ich kann laufen, geradeaus und rückwärts.“ Was er allerdings noch nicht kann, sind handballspezifische Bewegungen, die Schnellkraft und Explosivität erfordern. Was nicht gerade förderlich für einen Handballer ist, dessen Spiel besonders von der Dynamik und Sprungkraft lebt.

Das sagt der Vizeweltmeister von 2019, der missmutig gesteht: „Ich muss Geduld haben, auch wenn es schwer fällt.“ Seit Mitte Mai plagt er sich mit der Blessur herum, seit diesem Zeitpunkt hat er praktisch nicht mehr richtig Handballspielen können.

Eine Hypothek aus der vergangenen Saison

Sögard zahlt augenblicklich die Rechnung dafür, dass er sich im Schlussspurt der vergangenen Saison oft angeschlagen für fünf Minuten auf das Spielfeld geschleppt habe – eben weil es für die SG um die Meisterschaft ging. Dazu wird es jetzt nicht kommen. „Sicher ist: Ich kann der Mannschaft nicht helfen, wenn ich bei 60, 70 Prozent bin. Ich will nicht spielen, bevor ich mich nicht richtig gesund fühle.“

Wann das sein könnte, ist schwer zu beantworten. Er sagt:

Selbiges wollte der 84-fache norwegische Nationalspieler eigentlich auch Sommer in Tokio. Doch sein großer Traum von einer Teilnahme an den Olympischen Spielen platzte jäh – wegen dieses verdammten 1,8 Zentimeter langen Sehneneinrisses. Nach dem verpassten Ringe-Spektakel war er laut eigener Aussage „zwei, drei Wochen mental richtig im Keller“. Eine schwierige Zeit für den Kopf – zumal er dann auch beim Saisonstart in Flensburg passen musste und seitdem zum Zuschauen gezwungen ist, wenn seine Kollegen um Punkte kämpfen. Sofa statt Sporthalle. Anstatt mit dem Ball in der Hand in Veszprem oder Göppingen auf Torejagd zu gehen, guckt er sich in Flensburg mit den anderen Patienten Lasse Möller, Franz Semper und Magnus Röd die Spiele am TV an.

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„Mein Geduldsfaden wird dünner“ berichtet der 1,93-Meter-Mann. „Bei einem Fingerbruch oder Bänderriss im Fuß weiß man genau: Nach so und so vielen Wochen bist du zurück. Bei meiner Verletzung ist die Dauer leider schwer kalkulierbar.“

Keine Frage: Er vermisst das Training mit der Mannschaft, die tolle Atmosphäre in den Bundesliga-Hallen, die spannenden Schlachten in der Champions League – trotz der hohen Belastung bei einem Club, der im internationaler Konzert mitmischt.

Spannendes Projekt Kolstad

Wäre da nicht ein Wechsel in die norwegische Heimat, etwa zu einem gewissen Club Kolstad IL, irgendwann erstrebenswert? „Ich finde das Projekt megaspannend. Schön, dass ein norwegischer Club die ökonomische Kraft und das Ziel hat, in der Champions League ganz vorne anzugreifen“, sagt Sögard, der sich mit diesem Thema dem eigenen Bekunden nach nicht beschäftigt. Sein Vertrag in Flensburg läuft noch bis 2023. „Ich bin superzufrieden bei der SG. Alles ist gut.“ Was in zwei Jahren sein wird? „Ich bin dann 29. Keine Ahnung, was ich dann will“, versichert der Norweger. „Ich denke momentan nicht an Verträge, sondern nur an meine Gesundheit.“

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