Handball-Fans üben Kritik an später Anwurfzeit in der Champions League

Sportlich bleibt die Königsklasse des Handballs reizvoll, die Rahmenbedingungen für die Spiele der Besten in Europa erscheinen verbesserungswürdig. Insbesondere das Format der Vorrunde in der Champions League sowie die 2020 von der Europäischen Handballföderation EHF eingeführte Anwurfzeit um 20.45 Uhr werfen Fragen auf.

Auch das erste Heimspiel der SG Flensburg-Handewitt in der K.o.-Runde am kommenden Mittwoch gegen Pick Szeged beginnt spät. Bei Handballern und Fans regt sich Kritik.

Enttäuschende Resonanz in Flensburg

Trotz der denkbar bestbesetzten Gruppe in dieser Saison stießen die SG-Heimspiele auf enttäuschende Resonanz. Bei den Gastspielen der vielleicht besten Mannschaften der Welt verloren sich 2066 (FC Barcelona) und 2400 Besucher (Paris St. Germain) auf den Rängen der Flens-Arena.

Marina Petersen, 2. Vorsitzende des Fanclubs „Die Wikinger“, meint: „Die Anwurfzeit 20.45 Uhr ist unter der Woche für viele Fans ein Grund zu sagen: ,Das ist mir zu spät, da gehe ich nicht hin‘. Dann kommt noch die Unsicherheit wegen Corona. Und die hohen Preise für Einzelkarten spielen auch mit ’rein in die Entscheidung.“

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Die SG Flensburg-Handewitt hat ein großes Einzugsgebiet, die Fans kommen auch aus dem Schleswiger Raum, aus Nordfriesland oder von noch weiter her. Nach einem Spätspiel wären viele erst gegen 23 Uhr oder noch später zu Hause. Für viele Berufstätige, aber auch für schulpflichtige junge SG-Fans kommen diese Spiele nicht in Frage.

SG-Trainer Maik Machulla ist kein Freund der späten Anwurfzeit:

Problematisch ist die erzwungene zusätzliche Übernachtung bei Auswärtsspielen. Nach einem frühen Spiel mit Anwurf um 18.45 Uhr ist oft noch die Heimreise per Charter möglich, nach Spätspielen nicht mehr.

Thomas Gebhardt vom Fanclub „Alte Garde“ kritisiert ein Überangebot: „Es sind zu viele Spiele. Die Champions League ist aufgebläht und dadurch unattraktiv. Das führt dazu, dass die Leute nicht in die Halle gehen, obwohl die Gegner top sind.“

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Marina Petersen sieht das ähnlich: „Bei der Auslosung gähnt man schon leise, weil es oft die gleichen Gegner sind. Aber bei der EHF spielen Kriterien eine Rolle, die an den Fans und deren Interessen vorbeigehen.“

Keine Kritik bei EHF angekommen

Die EHF erklärt auf Anfrage, dass ihr nach zwei Spielzeiten mit den neuen Anwurfzeiten keine Kritik von Seiten der Clubs vorliege. „Den Fans feste Anwurfzeiten bieten zu können, war schon längere Zeit ein Anliegen der EHF, das schließlich im Vorfeld der Medien- und Marketingpartnerschaft mit Infront und DAZN realisiert werden konnte“, erklärt EHF-Mediendirektor Thomas Schöneich.

Die Champions League könne mit festen Spieltagen (Mittwoch/ Donnerstag) und Anwurfzeiten (18.45/20.45 Uhr) besser am Markt platziert werden.

Zufrieden mit den Quoten

Bei einem Wettbewerb mit 16 Teams aus 13 Nationen und verschiedenen Märkten müssten auch verschiedene Interessen beachtet werden, so Schöneich. „Grundsätzlich ist mit allen Beteiligten abgesprochen, dass der aktuelle Zyklus mit den Anwurfzeiten bis inklusive der Saison 2022/23 festgeschrieben ist“, sagt der EHF-Mediendirektor. Es würden aber laufend Analysen stattfinden, deren Bewertungen dann in spätere Prozesse einfließen.

Mit den TV-Quoten ist die EHF zufrieden. In der Saison 2020/21 wurden mehr als 12000 Stunden Handball übertragen, die mehr als 530 Millionen Fans erreicht haben. Vor allem das Streaming hat zugelegt. Das alles spült mehr Geld in die Kassen der Clubs. Bleibt die Frage, ob dürftig gefüllte Hallen dafür ein zu hoher Preis sind?

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