Deutsche Handballer im WM-Blues

Frust statt Euphorie, Selbstzweifel statt Aufbruchstimmung. Einen Tag bevor bei der Handball-WM in Ägypten mit dem Viertelfinale die heiße Phase anbricht, bestiegen die deutschen Handballer bedröppelt den Flieger gen Heimat, wo sie in Köln nicht nur von kalten Temperaturen, sondern auch von einer Menge Kritik seitens Medien und Fans empfangen wurden.

Die Mienen von Gensheimer und Co. verrieten: Die vermasselte und unfreiwillig früh beendete WM-Dienstreise an den Nil, deren Abschluss ein unbefriedigenden 23:23 gegen Polen am Montagabend bildete, nagten an den schwarz-rot-goldenen Elite-Ballwerfern.

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So schlecht wie nie

Was bleibt nun unter dem Strich stehen vom WM-Abenteuer? Zwei Pflichtsiege und ein Remis gegen Mannschaften aus der zweiten und dritten Reihe des Welthandballs (Uruguay, Brasilien, Polen).

Zwei bittere Niederlagen gegen Teams (Spanien, Ungarn), die dem deutschen Kaliber in etwa ähneln. Ein zwölfter Platz, der die schlechteste Bilanz in der langen deutschen WM-Historie darstellt. Und die ernüchternde Erkenntnis, dass Deutschland doch ein größeres Stück entfernt von der Weltspitze ist als angenommen.

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WM-Note: ausreichend

Dementsprechend mies fällt dann das Zeugnis aus. Mit etwas Wohlwollen und angesichts der widrigen Umstände könnte es lauten: Note vier, ausreichend. Wenngleich sich der Gebrauch dieses Adjektivs falsch anfühlt, stellt man die sehr durchwachsenen sportlichen Leistungen ins Verhältnis zu den hohen Ansprüchen des mitgliederstärksten Handballverbandes der Welt, der im Sommer in Tokio mit seiner Auswahl – wenn auch in anderer Besetzung – nach olympischen Gold greifen will.

In Teilfächern – Chancenverwertung, Nervenstärke in der Crunchtime, Konstanz der Torhüter, Stabilität des Abwehrblocks – war sogar die Note „mangelhaft“ angebracht. Fünf – setzen! Zudem störten einige Protagonisten (Wolff und Gensheimer) fahrlässig den Unterricht mit unklugen Äußerungen.

Olympia-Ticket ein Muss

Es bedarf nun einer wohlbedachten Nachhilfe, um die Versetzung – sprich die eminent wichtige Olympia-Qualifikation – nicht zu gefährden. Denn: Das Verpassen der Sommerspiele wäre für den deutschen Handball, anders als der zwölfte WM-Platz, eine sportliche Katastrophe. Dem ist sich die Verbandsspitze bewusst, die aus diesem Grund den Druck auf ihr Aushängeschild erhöht.

Ausreden wie jetzt in Ägypten werden in Berlin, wo es vom 12. bis 14. März um das Tokio-Ticket geht, nicht mehr gelten. „Es wird langsam wieder Zeit, einen Erfolg einzufahren“, mahnte DHB-Präsident Andreas Michelmann. Und sein Vize Bob Hanning forderte: „In Berlin müssen wir zusammen mit den Spielern, die dann zurückkommen, einfach liefern.“

 

Was bedeutet das für Alfred Gislason? Viel Arbeit! Arbeit, für die der Bundestrainer kaum Zeit hat. Folgerichtig wünscht sich er eine Verlegung des Bundesliga-Spieltags vor dem Qualifikationsturnier, bei dem in der Vierergruppe mit Deutschland, Schweden, Slowenien und Algerien zwei Olympia-Startplätze vergeben werden. „Ich habe insgesamt nur vier Trainingstage zur Verfügung. Ich hoffe natürlich, dass ein paar Tage dazukommen könnten. Normalerweise müsste man vorher den Bundesliga-Spieltag verlegen“, sagte Gislason am Dienstag.

Akute Terminnot

Die DHB-Führung will sich nun diesbezüglich mit Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann und Liga-Präsident Uwe Schwenker zusammensetzen – im Bewusstsein, dass die Bundesliga coronabedingt unter akuter Terminnot leidet.