Ungewöhnlichster Titel: THW Kiel feiert nur virtuell

Kiel (dpa) – Kein Fanjubel, keine Sektfontänen, kein Siegerehrung – stattdessen eine 30-minütige Videokonferenz: Die Spieler des THW Kiel haben mit ihrem Trainer Filip Jicha ihre ungewöhnlichste Handball-Meisterschaft auf ungewöhnliche Weise gefeiert.

Coronabedingt stießen sie am 21. April virtuell auf den 21. Titel des deutschen Rekordmeisters an. Fünf Jahre lang hatten die Kieler auf die Meisterschaft warten müssen. Aber nicht deshalb wird der Titel besonders in Erinnerung bleiben. «Die Meisterschaft 2020 ist einmalig, und bleibt hoffentlich auch einmalig. Denn wir wurden nach 26 Spieltagen gestoppt, weil die ganze Welt eingebremst wurde», sagte der 38-jährige Jicha, der gleich in seinem ersten Jahr als Cheftrainer seinen ersten Titel holte.

Für Nationalspieler Rune Dahmke war es «komisch, wie plötzlich jetzt alles zu Ende gegangen ist. Wir hatten bis zuletzt gehofft, dass wir die Saison zu Ende spielen und gemeinsam mit unseren Fans feiern können.»

Daraus wurde nichts. Via WhatsApp hatte THW Geschäftsführer Viktor Szilagyi die Spieler über den Titelgewinn informiert. Kurz zuvor hatte die große Mehrheit der 36 Clubs der 1. und 2. Bundesliga beschlossen, die Saison wegen der Corona-Pandemie abzubrechen.

«So etwas erlebt man auch nicht alle Tage», sagte Kreisläufer Hendrik Pekeler. Doch Zweifel daran, dass der THW ein würdiger Meister ist, hatte der Nationalspieler ebenso wie seine Teamkollegen nicht. «Natürlich wären wir lieber nach dem 34. Spieltag Meister geworden, aber nichtsdestotrotz sind wir stolz darauf, was wir in drei Viertel dieser Saison geleistet haben. Der Meistertitel ist dafür eine Anerkennung.»

An eine nachträgliche Titel-Party glaubt Pekeler nicht. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nachgeholt wird», sagte der 28-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. «Ich glaube, dass es eher ein komisches Gefühl wäre, falls wir im September oder Oktober wieder spielen würden, und dann nochmal auf dem Rathausbalkon feiern sollten.»

Ob die Profis angesichts der ungewohnten Situation nun auf ihre Meisterprämie verzichten, ist noch nicht klar. «Das wurde noch gar nicht so richtig thematisiert. Über irgendwelche Prämien haben wir noch nicht gesprochen», sagte Pekeler.

Nach Meinung von Geschäftsführer Viktor Szilagyi steht der THW noch in diesem Jahr vor der nächsten großen Herausforderung. «Die nächste Saison ist deutlich schwieriger zu gestalten. Alles, was vor vier bis fünf Wochen Planungsstand war, zählt heute nicht mehr», sagte der Manager des neuen deutschen Meisters im ZDF-«Morgenmagazin».

«Wir planen mit dem September als Saisonstart – in allen möglichen Szenarien», betonte der 41-Jährige. «Ob das auch so wirklich stattfinden kann, wissen wir nicht. Genauso nicht, ob Zuschauer zugelassen werden, teilweise oder auch nicht», erklärte Szilagyi. Die Bundesregierung habe einschließlich August Großveranstaltungen – auch im Sport – verboten.

Wann und wie die Meisterschale übergeben wird, ist derzeit völlig offen. «Wir werden es in jedem Falle noch machen», sagte Liga-Chef Uwe Schwenker. «Ich denke, ein entsprechender Rahmen sollte natürlich dafür vorhanden sein.» Wann der THW noch weitere Titel feiern kann, ist ebenso offen. Im DHB-Pokal und in der Champions League sind die Norddeutschen im Wartestand. In Deutschland sind alle Großveranstaltungen bis zum 31. August untersagt.

So gibt es für das ursprünglich für April geplante Pokal-Final-4 in Hamburg noch keinen neuen Termin. In der europäischen Königsklasse, in der die Kieler im Viertelfinale stehen, ist der Fortgang ebenfalls ungewiss. Das Final-4 in Köln ist aktuell für Ende Dezember geplant.